Tillmann Baerber, 06.09.2017
Während der Arbeit an einem neuen Album befindet man sich in einer kreativen Blase, ist den Widrigkeiten dieser Welt ein wenig entrückt. Doch die Realität steht spätestens dann unerbittlich vor der Tür, wenn es gilt, das neue Werk „vermarkten“ zu müssen. Die entfernten Welten sind durch die Unterstützung unserer Crowdfunder sowie vieler weiterer Freunde der Band möglich geworden, schon deshalb war es uns eine Verpflichtung, diese Platte nicht nur mit einem leisen Piepsen im andauernden Medienrauschen sanft hinweg dämmern zu lassen!
Aber die Herren von Sandow hatten wirklich keine Ahnung mehr, wie es um das „Musikbusiness“ bestellt ist, als wir unsere kreative Blase verließen und der raue Wind der Realität zu wehen begann. Einer der wichtigsten Schritte ist immer die Media-Kampagne. Auf der Suche nach dem richtigen Media-Partner wird man sofort mit aufbauenden Sätzen beworfen. “Print ist eigentlich tot … Rolling Stone und Musikexpress haben bestimmt kein Interesse, vielleicht Schall und Sonic Seducer” (auf diese Erkenntnis wären wir gar nicht von allein gekommen) … “na Ihr als Ostband …” (Wir dachten, wir leben im Deutschland von 2017)
Aber diese Platte bleibt eine emotionale Reise durch die Vergangenheit und Gegenwart. Alte Weggefährten aus dem Potsdamer Lindenpark ermöglichten uns eine komplette Probenwoche im großen Saal des Hauses. Und neue Weggefährten wie mein großartiger Drumtrainer Mesut Gürsoy haben uns letztendlich zur Mediaagentur von Kathrin Wagmüller in Hamburg geführt, ein wahrer Glücksfall für uns, vielleicht wird aus dem leisen medialen Piepsen doch noch ein lauteres Geräusch. Und unser SocialMedia Mann Andreas Klisch schaufelt sich sowieso unermüdlich durch alle Netze und Kanäle.
Ein anderer Teil der Realität sind die Plattenkritiken und in unserer 35-jährigen Geschichte erinnere ich mich als Schlagzeuger besonders gern an eine Kritik, die uns „müde schleppende Beats“ attestierte 🙂 (muß irgendwann in den Neunzigern gewesen sein). Laut aktuellen ersten Kritiken könnte man unsere Songs als die unbedingte und würdige Fortsetzung von „1/2 Mensch“ von den Einstürzenden Neubauten ansehen oder „… they are like a super calm Rammstein … I don’t know what to compare them to“. Für einen Song wurden auch Keimzeit-Vergleiche bemüht (immerhin haben wir im ehemaligen Keimzeit-Studio in Lütte aufgenommen, da hat uns wohl der alte Leisegang-Hausgeist überrumpelt).
Ein besonders bizarres Stück der Realität sind die Backstages dieser Welt und wir haben bisher einige von Frankreich bis nach Rußland gesehen. Meist trübe und deprimierende Orte für die gilt: Es liegt stets ein Geruch aus kaltem Rauch, Schweiß, Essensresten und Reinigungsmitteln in der Luft, dazu Graffitis und Plakate an den Wänden, die von längst verschwundenen Bands erzählen.
Aber all das ist sofort vergessen, wenn wir die Bühne betreten, das Adrenalin durch den Körper schießt und wir ein Record-Release Konzert wie am letzten Freitag in Leipzig erleben durften. Wir sind noch ganz trunken vor Freude und verneigen uns in tiefer Dankbarkeit vor unseren Fans und Unterstützern. All die Arbeit der letzten Jahre hat sich gelohnt!
DANKE Euch da draußen!
P.S: Bizarre Orte der Realität sind auch Backstage-Klos, im Leipziger Klo haben wir diesen Spruch entdeckt: „This is a message from the future. Don’t play the new song” … 🙂